stars like stuff


André und seine fünf größten literarischen Helden

> Kees Popinga, aus George Simenons „Der Mann, der den Zügen nachsah“: Aus einem langweiligen Gutmenschen wird ein aufreizend arroganter Verbrecher. Erstaunlich, wie sehr man diese Verwandlung insgeheim goutiert.
> Der Erzähler in allen Brenner-Krimis von Wolf Haas: Ich lese, dass er redet wie man eben redet. In Österreich. Das ist schon mal super. Dass er den eigentlichen Helden nach sechs Büchern überlebt, ist auch super.
> Die Mutter in Simon Cleaves „Lieber Osama“: Als ihr Mann und Kind von Terroristen in die Luft gejagt werden, vögelt sie ihren Nachbarn. Sie schreibt einen Brief an Osama Bin Laden – und weiß freilich, dass kein Mensch ohne Fehler ist. Der zweitbeste Terrorroman.
> Oskar Schell in Jonathan Safran Foers "Extrem laut und unglaublich nah": Ich mag es nicht, wenn Erwachsene Kindermünder simulieren. Foer macht das auch nicht. Er erfindet Oskar, einen Jungen, der für sein Alter zu viel Wissen hat, aber keine Ahnung, wohin damit. Er sucht Hinweise auf den Tod seines Vaters am 11.09.2001. Der beste Terrorroman.
> John Kaltenbrunner in Tristan Egolfs „Monument für John Kaltenbrunner“:
Methodisten bringen ihn nach dem Tod seiner Mutter um seinen Besitz. Der Typ, ein Außenseiter von Geburt an, wehrt sich, in dem er die Müllmänner eines spießigen US-Kaffs streiken lässt. Das Ende ist bitter. Fiktiv, aber auch in echt: Autor Egolf wählte den Freitod.

Alex und ihre Top-Fünf aus Frankreich:

Das leckere Essen als Nummer 1 natürlich! Neben unseren 350 Käsesorten – deswegen wollte ich als kleines Mädchen einen Käsehändler heiraten – gibt es bei uns feine „Patisseries“ und „Boulangeries“ (für die Nicht-Frankophilen unter euch: Konditoreien und Bäckereien) mit Köstlichkeiten wie Eclairs à la vanille, Rosinenschnecken, Zitronentarts ... Gut, dass ich in Münster lebe und mich nicht täglich beherrschen muss, es würde mir sehr schwer fallen! Übrigens: Ein einfaches Baguette mit Butter und Mirabellen-Marmelade getunkt in einen leckeren Milchkaffee schmeckt auch schon göttlich.

Die schöne Französische Sprache, am Liebsten gesungen von Serge Gainsbourg, Jane Birkin, Françoise Hardy, Carla Bruni, Coralie Clément, Benjamin Biolay, Pascal Parisot, Henry Salvadore, Laurent Voulzy, Alain Souchon …

Coluche, der mich mit seinem extrem derben Humor à la Reiser/Titanic immer wieder zu Lachkrämpfen bringt. Unvergesslich, wie er 1980 für die Präsidentenwahl kandidierte: Auf den Werbeplakaten war er komplett nackt zu sehen, nur eine Feder klebte am Popo. Leider starb dieser Clown schon 1986 durch einen Motorradunfall, Gott segne ihn.

Jean-Jacques Cousteau , dessen tolle Unterwasser-Dokumentationen mich schon seit meiner Kindheit faszinieren. Man möchte wie im „Grand Bleu“ dort unten sein.

Die Provence, aber auch das Departement Lot – letzteres ist die Heimat meiner Oma: Malerische kleine Dörfer, hügelige Landschaften, Lavendelfelder, Obstbäume, von der Sonne verwöhnte leckere Rotweine sowie das einfache Landleben prägen diese Regionen.

Sebastian und seine fünf …

… meistgespielten Popalben: Prefab Sprout – Steve McQueen, Aztec Camera – High Land Hard Rain, Zombies – Odessey & Oracle, The Pastels – Illumination, Gene Clark – White Light.
… Lieblingscharaktere aus Film und Fernsehen: Lou und Andy aus „Little Britain“, Barney Gumble von den „Simpsons“, Wallace aus „Wallace und Gromit“, Herr Lipp aus „League Of Gentlemen“.
… meist gelesenen Bücher: Kurt Tucholsky – Schloss Gripsholm, Thomas Mann – Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Nick Hornby – High Fidelity, Josef von Eichendorff – Aus dem Leben eines Taugenichts, Robert Gernhardt – Vom Schönen, Guten, Baren.
… geheimen Geständnisse: Den Film „Der Prinz von Zamunda“ mit Eddie Murphy habe ich ca. 40 Mal gesehen, und ich werde es wahrscheinlich wieder tun; das glänzende Auto aus der Waschstraße zu fahren gibt mir ein gutes Gefühl; ich besitze fünf hochwertige Blockflöten, für die ich damals mein Konfirmationsgeld ausgegeben habe; die mit Abstand meisten Tonträger in meiner Sammlung stammen von den Pet Shop Boys; meine seit 1982 währende Anhängerschaft für den VfB Stuttgart beruht weniger auf sportlichem Interesse, sondern fast ausschließlich auf Aberglauben (wenn der VfB gewinnt, wird es eine gute Woche).
… Zutaten für ein perfektes Rührei: 3-4 frische Eier, ein Schuss Sahne, Muskat, eine Prise Salz, Pfeffer aus der Mühle.

Marc und seine fünf liebsten Orte, an denen er mit Stars Play Music spielen will:

Der Musikpavillon in Cuxhaven-Döse ist wohlgeformt, weiß – und er birgt Erinnerungen an meine Kindheit in den 70er Jahren. Eine wunderbare Zeit, meine Kindheit, sage ich heute. Wie es früher war, weiß ich nicht mehr so genau, Verklärung setzt ein. In Cuxhaven aber, wo ich mehrfach mit meiner Mutter, meiner Großmutter und meinem Bruder Urlaub machte, war es immer schön, das weiß ich. Vor dem besagten Pavillon standen – und stehen – Reihen weißer Bänke, besetzt mit Senioren, die Kurkonzerten lauschten. Um ihn herum spielte sich mein Urlaubsleben ab. Auf der kleinen Bühne musizierten die Bückeburger Jäger, ein Blas-Orchester ganz in grün, das immer noch unterwegs ist. Meine Oma ist damals mit Hansi und Peter und wie sie alle hießen per du, denn sie fuhr seit Jahrzehnten dorthin. Ich kannte plötzlich Popstars, war mittendrin auf der Bühne, wenn Oma mich nach vorne rief. Dann stand ich da, etwas unangenehm berührt, denn irgendwie begriff ich, dass die Jäger nicht mein Fall waren. Es roch dort, zumindest in meinem Gedächtnis, nach Pommes und Krautsalat aus dem nahen Strandhaus, nach der Qualle, die ich als Kind mit einem Plastikmesser durchtrennte, nach Urin, denn die Toiletten nebenan waren stets übervoll, nach Sonnenmilch, nach dem muffigen Kunststroh der Strandkörbe. Und natürlich nach dem kleinen Laden etwa 20 Meter weiter, in dem Oma mir regelmäßig etwas kaufte. Micky Maus-Hefte, Südsee-Muscheln, Maumau-Spiele. Wenn ich heute da bin, riecht es dort – wenn ich sehr will – immer noch wie früher.

Das Doornrosje in Nijmegen öffnete mir Welten. 1994 und 1995 fanden in dem holländischen Club auf zwei Bühnen die beiden Fast Forward-Festivals statt, eine Zusammenschau so genannter Lo-Fi-und Spoken Word-Künstler wie Lou Barlow, Plover, Eugene Chadbourne, Dump, Smog, Tuli Kupferberg oder Tall Dwarfs, die sich mit unterschiedlichen Methoden dem guten Song näherten. Was sie zumeist einte: Sie nahmen auf 4-Spur-Geräten auf, rockten nicht zu laut, aber genug, sangen manchmal etwas schräger, manchmal auch richtig gut und nahmen ihre Musik ernst. Die Stimmung war wunderlich, weil viele Leute wirklich erweckungsartig den Bands und Projekten lauschten. Ich mittendrin, auch tagsüber, wenn mitten in der Stadt plötzlich die Mountain Goats für ein paar Gulden spielten. Ich beschloss, mir ein 4-Spur-Gerät zu kaufen, in jeder freien Minute Musik zu machen und diese möglichst niemandem vorzuspielen. Die Kassetten habe ich immer noch.

Das Gossips gibt es nicht mehr, glaube ich – aber vielleicht funktioniert etwas anderes in London ähnlich, ich weiß es nicht, war lange nicht mehr da. Im Gossips jedenfalls spielten Anfang der 1990er Jahre Bands mitten während der Disconacht, ohne Ankündigung auf Flyern, ohne Ansage, einfach so. Die Musik von Platte hörte auf, die Band legte los, laut, ein wenig psychedelisch – was mich damals nicht störte –, die Gäste hörten zu, manche zumindest, einige unterhielten sich, aber es war auch egal, weil die Stimmung einfach so war, dass man sich darüber gerade keine Gedanken machen musste. Jeder erkannte an, dass da jemand etwas tat, was getan werden musste, Livemusik, lautes Gekreische, ungerade Töne, schlechter Sound, so war es. Eine wichtige Rolle spielte für mich wahrscheinlich auch, dass Courtney Love und Mark Arm da waren. Mit dem Rest von Mudhoney nach ihrem absolut irren Konzert, bei dem Courtney Love ungefähr bei drei Vierteln der Hole-Songs fluchend aus der Halle rannte und am Ende ihre Gitarre lebensgefährlich nahe neben ihren Bandkolleginnen zertrümmerte. Damals war ich allerdings so enorm cool, dass ich vor mir selbst so tat, als ob ich die Stars nicht registrierte – die sie damals wahrscheinlich auch gar nicht waren.

Noch ein Konzertpavillon, dieses Mal in Hagen, meiner Heimatstadt. Die „Muschel“ heißt das Ding, im Volkspark, wo jedes Jahr der Muschelsalat stattfindet, ein buntes Programm mit Bands und Kabarett und anderen überflüssigen Unterhaltern. Das passt nicht zu den Stars, denke ich, aber dennoch: Hagen ist meine Stadt. In Hagen rannte Mitte der 80er beim Muschelsalat immer der ältere Obdachlose herum, der in Philip Boas „Container Love“ besungen wird, dort spielten damals gute Bands – zumindest wieder in meiner Erinnerung –, dort wurde ich erwachsen, trank Bier, traf meine erste Band Stew, probte im Schlachthof, wo die Schlachter Schweineköpfe in Schubkarren durch Blutlachen schoben und danach in der kleinen Schlachtergaststätte unter unserem Proberaum panierte Schnitzel aßen – und dennoch wurde ich nur für etwa drei Tage Vegetarier –, dort trat ich zum ersten Mal auf, im Jugendbildungszentrum Berchum, dann im Werkhof, in der Pelmke-Schule, stritt mich mit der Band, wir trennten uns, gründeten neue Bands und so weiter … bis ich in Münster landete und etwas vermisse. Einfach deswegen, glaube ich, weil Hagen eine so wunderschön verkannte Stadt ist.

Im Mutterland des Indie-Pops – ich liebe die Smiths und C86 und einige andere britische Bands, aber Britpop nicht –, also in den USA, gibt es Tausende Orte, an denen ich gerne spiele würde. Nicht wegen der Orte, nicht wegen der Zuhörer, nicht wegen der Hauptbands oder Vorbands, mit denen wir zusammenspielen würden. Der Grund ist das Drumherum. Die Hamburger nach dem Auftritt, die Stopps an der Tankstelle, bei dem man ein Budweiser aus der Dose kauft, die Abende bei den Freunden, mit denen man Barbecues macht, natürlich auch das eigene Interesse, ob die Amerikaner auch nur ansatzweise mögen was wir machen – vielleicht wegen des niedlichen Akzents –, die Häuser, die Proportionen, die Farben, das Ankommen am Flughafen, das Abhängen vor den Auftritten in den Kneipen, das überdrehte, Jet Lag-geprägte Gequatsche, das endlose Warten, das Warten, das Warten. Und nichts kommt. Und am Ende spielen wir in New York. Ihr werdet sehen.

Carsten und seine fünf größten fußballerischen Helden

Ailton, der brasilianische Kugelblitz mit den schweren Knochen; der Gemütsmensch mit den lustigsten Live-Interviews in der Geschichte des deutschen Sportfernsehens; der Mann, der sein komplettes Kuhdorf in Brasilien alleine finanzieren muss und dort deshalb als Held gilt: „Trainer Schaafe sagtä, Ailton schieße Tor und Ailton schieße Tor...grüße ma Frau un ma Kind...“
Mario Basler, einer der größten Raucher und Biertrinker des deutschen Profifußballs; der Mann mit dem fantastischen Schnibbel im Fuß, der die Murmel in atemberaubenden Kurven ins Tor zimmerte und dazu Sätze wie „Jede Seite hat zwei Medaillen“ oder „Ich lerne nicht extra französisch für Spieler, wo diese Sprache nicht mächtig sind“ modellierte.
Pierre Littbarski, der Mann mit den großartigsten Dribblings, die solche O-Beine hervorbringen können; der größte Held des japanischen Profifußballs, der sogar Vorworte zu Nippon-Wörterbüchern verfasst. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken mit Ende!“
Diego Armando Maradona, der Größte aller Zeiten mit dem unvermeidlichen Hang zur Tragik; die Koksnase, das Genie, der Peinliche und die Hand Gottes. In Argentinien werden Kirchen nach ihm benannt – mehr geht wohl kaum. „Es gibt drei beste Spieler: Diego, Armando und Maradona.“
Uli Borowka, die als „Eisenfuß“ bekannte Abwehrkante, die sich diesen Namen ganz einfach verdient hatte; der Mann mit dem etwas schlichten Gemüt, dessen fußballerisches Talent arg limitiert war und trotzdem oder gerade deshalb von allen gefürchtet wurde; trauriger Ausgang seiner Karriere in Polen und im Suff, aber auch als Pokalsieger auf dem Bremer Rathausbalkon zu den Fans: „Ihr seid nämlich auch die, die den Pokal gehören!“